"Ostberlin. Clara-Zetkin-Str. Mai 1960"
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Bild 32: Im November 1958 stellte der sowjetische Partei -und Staatschefs Chruschtschow den Alliierten das Ultimatum, binnen eines halben Jahres aus West-Berlin abziehen. Dadurch sollte West-Berlin in den Worten der sowjetischen Forderung zur "freien und entmilitarisierten Stadt" werden. Andernfalls würde die Kontrolle über sämtlich Zugänge nach West-Berlin der DDR übertragen werden. Dieses Ultimatum führte zur Jahre andauernden "Zweiten Berlinkrise". Die SED unterstützte die sowjetischen Forderungen mit intensiver Propaganda, war doch eine Neuverhandlung des Status von West-Berlin für sie mit vitalen Fragen verbunden: West-Berlin als Kanal ständiger Abwanderung der eigenen Bevölkerung gefährdete auf lange Sicht den Bestand des Staates DDR. Die Aussicht auf Kontrolle über die Zufahrtswege nach West-Berlin versprach zugleich ein Stück mehr staatliche Souveränität. Schon die Einbeziehung der beiden deutschen Staaten in internationale Verhandlungen im Zuge der Berlin-Krise war der SED als Schritt in diese Richtung willkommen (siehe auch Bild 33. sowie "Mauerbau").

Auf dem Foto ist ein weiterer Hinweis auf die Aktualität von Fragen der staatlichen Souveränität der DDR zu finden: neben den roten Fahnen der Arbeiterbewegung ist die schwarz-rot-gold gestreifte Fahne mit DDR-Emblem zu sehen. Das Emblem war zwar bereits seit 1955 offizielles Staatswappen, erschien jedoch erst seit 1959 auch auf der Fahne, um diese sichtbar von der bundesdeutschen zu unterscheiden. Zur Zeit der Entstehung des Bildes galt die DDR-Fahne in der Bundesrepublik noch als "Spalterflagge". Ihre Nichtanerkennung bis 1968 führte zu zahlreichen diplomatischen Zwischenfällen bei Ost-West-Kontakten auf Staatsebene. Als Erich Honecker 1987 zum ersten Staatsbesuch eines DDR-Staatsoberhauptes in die Bundesrepublik reiste, empfing die CDU/CSU -und FDP-Regierung ihn mit DDR-Fahne und DDR-Hymne.