"'Volkswahlen 1958' in Ostberlin. Das Bild spricht für sich!"
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Bild 29: Die Aussage dieser Propaganda-Tafel beschwört die Überlegenheit des Sozialismus über den Westen in simpler Kontrastierung. Der (Bau-)Arbeiter mit dem Schriftzug SOZIALISMUS auf der Arbeitshose ist überlegen lächelnd als Sympathieträger, jung, gesund, stark und mit offenen Augen dargestellt. Der alte zahnlose Gnom, der den Kapitalismus symbolisiert, hat verkniffene Augen und reißt seinen Mund weit auf. Er muß seinem Ausruf "Das wäre ja gelacht- wir sind die größte Macht!!!!" auf Stelzen stehend Nachdruck verleihen, seine Ohnmacht damit unglaubwürdig überdeckend. Mit dem Anzug dessen, der nicht selbst arbeitet und einem Dollarzeichen auf dem Hut, verkörpert er anti-westliche und anti-kapitalistische Stereotypen, derer sich auch die Nationalsozialisten bedienten. Auch die bildliche Umsetzung des kräftigen und gesunden Arbeiters legt diesen Vergleich nahe. Dieser Darstellung liegt aber auch die ideologische Formel vom absterbenden, gesetzmäßigerweise zukünftig vom Sozialismus bzw. Kommunismus abzulösenden Kapitalismus zu Grunde. Man mag darin zugleich ein Beschwören der Stärke des eigenen Systems erkennen, das doch ständig durch die Anziehungskraft der westlichen Alternative bedroht war. Allerdings war das Jahr 1958 tatsächlich eine Zeit von hochfliegendem Optimismus im Systemwettbewerb. (siehe Einleitung, Bild 30 und zur Volkskammerwahl Bild 46).
Wer diese Propaganda-Tafel ausgerechnet vor einem Friedhof plazierte, könnte damit bewußt ihre Aussage ins Gegenteil verkehrt haben wollen. Dies muß jedoch Spekulation bleiben. Sehr wahrscheinlich hingegen ist, dass der Fotograf nicht der einzige Betrachter war, der hier eine subversive Botschaft entdeckte.