Die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR war nach einem Tiefstand 1959 im Folgejahr wieder dramatisch angestiegen. Mehr als 90% der fast 200.000 Flüchtlinge des Jahres 1960 hatten den Weg über Berlin genommen. Angesichts solcher Zahlen konkretisierte Walter Ulbricht - seit Oktober 1960 nicht nur Generalsekretär der SED, sondern auch Vorsitzender des neu gebildeten Staatsrates - schon länger existierende Pläne zur Schließung der Sektorengrenzen. Bei den Mitgliedern des Warschauer Vertrages, dem Militärbündnis des Ostblocks, fand er dafür im März 1961 jedoch noch keine volle Zustimmung.

In den folgenden Monaten verschärfte sich die so genannte "Zweite Berlinkrise" (siehe dazu auch Bild 32): Im Juni 1961 wiederholte der sowjetische Partei- und Staatschef Chruschtschow seine Forderung, dass die Alliierten aus West-Berlin abziehen sollten. Andernfalls würde die Sowjetunion einen Separatfrieden mit der DDR abschließen und ihr, die an keine alliierten Vereinbarungen gebunden war, die alleinige Kontrolle über die Zufahrtswege nach West-Berlin übertragen. Auf einer Pressekonferenz am 15. Juni bekräftigte Walter Ulbricht die Unterstützung der sowjetischen Forderungen seitens der SED. Bei der selben Gelegenheit verriet eine Äußerung Ulbrichts jedoch indirekt, dass er noch eine andere Alternative im Kopf hatte. Seine Worte sollten berühmt werden: "Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten".

Anfang August gewann Ulbricht die Zustimmung der Warschauer Vertragsstaaten zur Verwirklichung genau dieser Absicht, nämlich zum "Mauerbau". Allerdings sollte vorerst nur ein Drahtzaun errichtet werden. Erich Honecker, damaliger Sekretär für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED, war als Leiter des zentralen Planungsstabes mit der Vorbereitung beauftragt worden.
Am 12. August wurden Plakate mit dem Ministerratsbeschluss über die Schließung der Sektorengrenzen gedruckt. Um für Geheimhaltung zu sorgen, wurden die Drucker bis in die Nacht festgehalten. Selbst die DDR-Regierung erfuhr mehrheitlich erst zu diesem Zeitpunkt von der bevorstehenden Abriegelung West-Berlins. Am 13. August, einem Sonntag, begann ab ca. ein Uhr früh der "Mauerbau" mit der Errichtung eines Maschendrahtzauns.

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Trotz verschiedener Indizien traf dies den Westen überraschend oder zumindest unvorbereitet. Sowohl die Alliierten als auch die Bundesregierung reagierten erst Tage später mit Protesterklärungen. Dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt fiel die unangenehme Aufgabe zu, die Bürger West-Berlins zu beruhigen. Zahlreiche West- und Ost-Berliner waren empört, doch rechneten viele nicht damit, daß die Teilung der Stadt wirklich lange dauern würde. In Ost-Berlin und der DDR kam es in den folgenden drei Wochen zu über 6000 Festnahmen wegen vereinzelter Proteste, jedoch zu keinen Streiks und Massenaktionen. Dass die Menschen angesichts einer so einschneidenden Maßnahme vergleichsweise passiv blieben, wird in sehr viel mehr Fällen mit Resignation zu erklären sein als mit positiven Erwartungen an die neue Situation, die erzwungene Ankunft im Alltag der DDR.

Die DDR-Presse verbreitete zwar u.a. mit Leserbriefen das Bild rückhaltloser und sogar begeisterter Zustimmung - tatsächlich jedoch wurden DDR-Bürger, die ihre Unterschrift unter Zustimmungserklärungen verweigert hatten, in exemplarischen Fällen zu Arbeitserziehung in Arbeitslagern verurteilt.

Da die Grenzsicherungen erst nach und nach ausgebaut wurden, gab es in den ersten Wochen noch sehr viel mehr Möglichkeiten zu fliehen als später. So sammelten West-Berliner Studenten die Pässe von Mitstudenten ein und holten den Passbildern ähnlich sehende Ost-Berliner "rüber". Anderen gelang die Flucht durch die Kanalisation. Am 22.8.1961 wurde die "Anwendung der Waffe" gegen Flüchtlinge befohlen. Zwei Tage später erschossen Transportpolizisten den 24-jährigen Günter Litfin, als dieser versuchte, durch die Spree nach West-Berlin zu schwimmen. Auch durch Fluchtunfälle, etwa beim Sprung aus dem Fenster in der Bernauer Straße, kostete die "Berliner Mauer" von Anbeginn an Menschenleben. Die erste Stein-Mauer entstand einige Tage nach dem 13. August. Die Bilder zeigen den Zaun, der zuerst errichtet wurde, doch sind auf einigen Fotos bereits Steine zu sehen. Die Grenzbefestigungen wurden bis 1989 fortlaufend erweitert und technisch perfektioniert. Das, was "die Mauer" genannt wird, umfasste schließlich mehrere Mauern, Zäune, KfZ-Sperrgraben oder Panzersperren, Kontrollstreifen (den so genannten Todesstreifen), Hundelaufanlagen und Wachtürme sowie ein vorgelagertes Grenzgebiet, das ohne Passierschein nicht betreten werden durfte. Vorerst war die Mauer auch für West-Berliner nicht passierbar; erst zu Weihnachten 1963 gab es die Möglichkeit kurzer Verwandtenbesuche. Das Viermächte-Abkommen und die innerdeutschen Vereinbarungen von 1972 erleichterten Reisen von West-Berlinern nach Ost-Berlin und in die DDR schließlich auf Dauer. In der offiziellen DDR-Sprachregelung hieß die tödliche Grenze seit dem ersten Jahrestag ihrer Errichtung "Antifaschistischer Schutzwall" und wurde stets eine Maßnahme zur Rettung des Friedens genannt.

1961 bis 1989 starben an der "Berliner Mauer" mindestens 239 Flüchtende; 16 DDR-Grenzposten wurden bei ihrem Dienst erschossen, die meisten von ihnen durch Fluchthelfer (siehe dazu aber auch den Kommentar zu Bild 11). Insgesamt forderte die Ost-West-Grenze ungefähr eintausend Todesopfer. Mindestens 70.000 Menschen sind seit 1961 in der DDR wegen "Republikflucht" oder "Beihilfe" zu dieser verurteilt worden.

Den 13. August 1961 haben sowohl ost- als auch westdeutsche Historiker stets als Schlüsseldatum bei der Periodisierung der DDR-Geschichte betrachtet; eine Wertung, die sich mit den Erinnerungen der vielen Zeitgenossen deckt, die dieses Datum als tiefen mentalen Einschnitt erlebten.


Die hier ausgewählten Fotografien unterscheiden sich von den berühmten, dramatischen Motiven, sind jedoch typisch für die Bilder Helwig-Wilsons vom 13. August 1961: Passanten und Anwohner gleichermaßen als "Zaungäste" und Betroffene des historischen Ereignisses sowie die ihren Aufgaben zuweilen fast schnoddrig nachgehenden Grenzsoldaten, Kampfgruppenmitglieder und Polizisten.

Fotos