"Arbeite
mit, Plane mit, Regiere mit", "Greif zur Feder, Kumpel!", "Für Wohlstand,
Frieden, Glück, decken wir den Tisch der Republik", "Messe der Meister
von Morgen", "Pionierexpreß der guten Taten" - dies ist nur eine Auswahl
von Slogans, die ihren Ursprung in Kampagnen der späten fünfziger Jahre
in der DDR hatten. Diese brachten nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung.
Verbunden mit dem V. Parteitag der SED im Juli 1958 und dem zehnten Jahrestag
der DDR-Gründung im Oktober 1959 sah das Land eine große Zahl von Wettbewerben
und Selbstverpflichtungen, mit denen die Bevölkerung in die gesellschaftlichen
Umwälzungen involviert werden sollte.
Der V. Parteitag der SED hatte 1958 beschlossen, dass der Aufbau des Sozialismus
bis 1965 abgeschlossen sein sollte. Die Formelhaftigkeit eines solchen
Beschlusses kontrastierte geradezu kurios zu dem Eigenleben von Gesellschaft.
Hinter den
ideologischen Formeln lagen auch strategische Ziele. Die DDR-Regierung
stand unter großem Druck, zügig eine attraktive Gesellschaft zu schaffen,
in der die Menschen auch bleiben wollten. Gleichzeitig galt es, sich dem
sowjetischen Stand der Entwicklung anzupassen. Die Umsetzung dieser Formeln
in die Gestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Wirtschaftspolitik
bedeutete: Vorantreiben und Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft
sowie Hebung des Lebensstandards durch Förderung der Konsumgüterproduktion.
Letzterer galt etwa das Chemieprogramm unter dem Motto "Chemie gibt Brot,
Wohlstand und Schönheit", das zur Umsetzung der ökonomischen "Hauptaufgabe"
(siehe Bild 30) beitragen sollte. In den gleichen Jahren trieb die SED
auch in anderen Bereichen der Gesellschaft die Veränderungen voran: Die
"Verordnung über die weitere sozialistische Umgestaltung des Hoch -und
Fachschulwesens der DDR" wurde 1958 erlassen. Im folgenden Jahr wurde
zur "sozialistische Umgestaltung des Schulwesens" die Durchsetzung des
obligatorischen Besuchs der zehnklassigen polytechnischen Oberschulen
binnen fünf Jahre beschlossen. Kunst und Literatur sollten der Schaffung
einer "sozialistischen Nationalkultur" dienen. Kunst und Literatur sollten
der Schaffung einer "sozialistischen Nationalkultur" dienen. Der nach
einer Konferenz vom Frühjahr 1959 so benannte "Bitterfelder Weg" bedeutete,
dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Produktionsbetriebe gingen,
um vom Leben dort zu berichten. Gleichzeitig wurden die Arbeiter mit
dem Motto: "Greif zur Feder, Kumpel!" selbst zu literarischer Produktion
aufgefordert.
Die einzelnen waren durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme an diesen
Veränderungen aufgefordert. Die
Mehrheit der Bevölkerung war in FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund),
FDJ (Freie Deutsche Jugend) oder Pionieren organisiert und wurde von diesen
adressiert: Der FDGB unterstützte Wettbewerbe in den Betrieben um den
Titel "Brigade der sozialistischen Arbeit", die FDJ verpflichtete sich
dem wirtschaftlichem Aufbau in FDJ-Jugendobjekten, die Pioniere füllten
aus Anlass des SED-Parteitages "Rote Bücher der guten Taten" mit dem Nachweis
von Aktivitäten wie Altstoffsammlungen und Aufbaustunden im Rahmen des
"Nationalen Aufbauwerks" usw.
Diese Mobilisierung bezweckte wirtschaftlichen Nutzen, andererseits ging
es auch um die Zustimmung zum gesellschaftlichen Projekt "Aufbau des Sozialismus".
Ob hinter den Kampagnen die Hoffnung der SED-Führung stand, damit tatsächliche
Begeisterung zu erzeugen, oder ob es vor allem darum ging, den Schein
zu schaffen, kann vermutlich nicht scharf voneinander getrennt werden.
Die Politisierung des Lebens war dabei ebenso umfassend wie äußerlich.
Die von Ulbricht auf dem V. Parteitag verkündeten "Zehn Gebote der sozialistischen
Sittlichkeit", zu denen die Liebe zu Vaterland, Familie und Sozialismus
gehörte, werden von vielen in dieser Form eher als Kuriosum aufgenommen
worden sein. Den Mitgliedschaften, der ideologischen Involviertheit im
Alltag entkam jedoch kaum einer - es sei denn er oder sie ging in Frontalopposition.
Bei
der Bildauswahl für diese Rubrik wird das Motto "Mach Mit!" in einem weiten
Sinne verstanden. Es geht nicht allein um die Kampagnen der späten fünfziger
Jahre. Vielmehr zeigen die Bilder ganz unterschiedliche Situationen und
Zusammenhänge, in denen Angebote zur Mitgestaltung der Gesellschaft in
erster Linie auf politische Vereinnahmung hinausliefen. Thematisch wären
die Bilder von Aufmärschen eine Untergruppe dieser Rubrik. Da sie aber
besonders zahlreich sind und fotografisch eine eigene Gruppe bilden, wurden
sie gesondert aufgenommen. Auch zur Rubrik "Parolen" sind die Grenzen
fließend.
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