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"Leipzig.
15 Jahre SED. Schaufensterdekoration."
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Bild
40: In diesem Schaufenster fängt ein ikonenartig über einer ausgebreiteten
DDR-Fahne aufgestelltes Porträt von Walter Ulbricht den Blick. Daneben
verweist das kleine Poster - wohl eine Montage aus mehreren Bildern -
links oben im Schaufenster auf den 15. Jahrestag der Gründung der SED.
Den Hintergrund bildet ein Meer aus Menschenköpfen wie auf einer Kundgebung.
Darüber stehen - von hinten nach vorn - die Porträts von August Bebel,
Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Ernst Thälmann. Sie
erwecken den Eindruck von Transparenten, die die Kundgebungsteilnehmer
halten. Diese Reihenfolge der Porträts wirkt genau überlegt, handelt es
sich doch, chronologisch geordnet, um die personifizierte Tradition der
deutschen Arbeiterbewegung im Verständnis der SED. Diese läuft in der
Darstellung auf ein Spruchband mit dem Schriftzug "15 Jahre SED" zu. Davor
ist ein eine Szene dargestellt, in der eine Frau - konzipiert als eine
Art Personifikation der Arbeiter und Bauern - zu einem Podest herangetreten
ist und Walter Ulbricht die Hand wie zu einer Gratulation reicht. SED-Emblem hingegen war ein anderer Händedruck: der Otto Grotewohls und Wilhelm Piecks von 1946, mit dem die (Zwangs-)Vereinigung von KPD und SPD zur SED als glückliche Überwindung der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung ikonisch symbolisiert wurde. Somit wird auf dem Poster die folgende Fortschrittslinie gezeichnet: die von den Massen getragene Tradition der Arbeiterbewegung führte zur Gründung der SED. Aus dieser wiederum folgt der hier von Beistehenden beklatschte Walter Ulbricht, dem eine aus der Richtung des Betrachters kommende Arbeiterin die Hand - wohl eher zum Dank als zur Gratulation - reicht. Zum 15. Jahrestag der SED-Gründung, also im April 1961, befand sich Walter Ulbricht auch formal auf dem Höhepunkt seiner Macht. Nach dem Tod des Präsidenten Wilhelm Pieck im Vorjahr war als kollektive Staatsführung der Staatsrat gebildet worden, dessen Vorsitz Ulbricht nun zugleich mit dem höchsten Parteiamt innehatte. Um ihn, der keine charismatische Persönlichkeit war, entwickelte sich ein Personenkult. Ulbrichts Darstellung als jovialer Herrscher verdrängt in diesem Bild nachgerade die berühmte Händedruck-Szene. Solcherart Ulbricht- Porträts zwischen Gemüsedosen in Schaufenstern bieten ein typisches Indiz des Personenkults. Die konkrete Gestaltung von Auslagen konnte allerdings zuweilen nicht nur unfreiwillig komisch, sondern auch bewußt subversiv und spöttisch wirken. Ob es sich im Falle der Dekoration dieses Schaufensters bei der Plazierung des Ulbricht-Porträts unter dem Lampenschirm wie unter einem Heiligenschein um solch doppelbödigen Spott handelt, bleibt offen. |
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